Frühburgunder-Forum im Kloster Marienthal

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Wenn der Spätburgunder eine Diva ist – dann ist die kleine Schwester Frühburgunder aber ’ne echte Oberzicke. Schwierig im Anbau. Kleine Beeren, dadurch viel Schale, wenig Saft. Wer jedes Jahr große Fässer vollkriegen will, baut lieber was anderes an. Zwar zwei Wochen früher reif als der Spätburgunder, dann aber auch gefundenes Fressen für Heerscharen von Vögeln und Wespen, die sich auf die vollreifen Früchte stürzen und Party feiern.

Kein Wunder, dass der Frühburgunder kurz vorm Exitus stand. Wer nicht auf Effizienz getrimmt ist, wird ausgemustert. In den 60ern wurde Frühburgunder nur noch auf gut einem Dutzend Hektar angebaut. Wohlgemerkt in ganz Deutschland. Nur ein paar Renitente hielten an dem ertragsschwachen Sonderling fest. Der Rest riss raus und pflanzte effizienten Dornfelder & Co.

Vom Aus-Sterbebett zurückgekehrt ins pralle Leben

Mittlerweile erlebt die Oberzicke eine verdiente Renaissance. Dabei spielt die Ahr eine herausragende Rolle. Nicht nur, weil dieser Winzling unter den deutschen Weinbaugebieten ein Siebtel der Gesamtanbaufläche für Frühburgunder in Deutschland stemmt: immerhin 36 von insgesamt 254 Hektar. (Stand 2015; Quelle: Statistisches Bundesamt, Grunderhebung der Rebflächen, Fachserie 3 Reihe 3.1.5 – 2015, erschienen am 18.05.2016.)


Blick auf die Lagen Alte Lay und Jesuitengarten bei Walporzheim/Ahr
Volles Haus beim Frühburgunder-Forum an der Ahr

Oben: Die Lagen Alte Lay und Jesuitengarten bei Walporzheim/Ahr. Die „hervorragende Nase“ links nennt sich Kaiserstuhl.
Unten: Volles Haus beim Frühburgunder-Forum. Wer genau hinschaut, entdeckt sogar (wein)königlichen Glanz in der Hütte.


Noch entscheidender wiegt: Von der Ahr stammen die besten, elegantesten, mineralischsten Frühburgunder, die wir je im Glas hatten. Keine molligen, samtenen Frühburgunderfruchtsäfte, wie sie in Rheinhessen oder Württemberg oft gekeltert werden. Sondern geschliffen klare Weine, die es in punkto Spannkraft und Präzision durchaus mit der großen Schwester Spätburgunder aufnehmen können.

Und man hat sich noch was einfallen lassen an der Ahr, um die Wiedereingliederung der Oberzicke in die Weinwelt zu fördern: das Frühburgunder-Forum. Eine Veranstaltung bei der sich alles, alles und alles ausschließlich um die einst verschmähte Rebsorte dreht. Holla, die Ahr rollt der Oberzicke den roten Teppich aus? Schauen wir mal, ob der das am Ende noch zu Kopfe steigt.

Die Ahr rollt der Oberzicke Frühburgunder den roten Teppich aus

2007 gab’s das erste Frühburgunder-Forum. Seitdem alle zwei Jahre. 2017 also das sechste Mal. Tagungsort ist das Weingut Kloster Marienthal mit seinen charmanten Räumlichkeiten. Und pünktlich high noon ging’s los: zwölf Uhr am Samstag, den 8. April.

Zwanzig Ahr-Weinbetriebe waren dabei: alte Hasen und junger Nachwuchs, Familienbetriebe und Genossenschaften, kleine Namen und große. Von den VDP-Weingütern fehlten nur Nelles und Stodden. Schade eigentlich. Beide haben Frühburgunder im Sortiment. Aber muss dann eben ohne gehen. Und siehe da: ging sehr gut.


Selfie mit Hoheit: Weinautor Edgar Wilkening mit Königin Christina
Gemäuer von Kloster Marienthal im Sonnenschein

Oben: Neee, natürlich nicht die Oberzicke, von der hier die Rede ist! Selfie mit Ihrer Hoheit Weinkönigin Christina Kurth.
Unten: Der Hauch der Geschichte weht durch die Fenster von Kloster Marienthal.


Na klar, Rahmenprogramm gab’s auch. Seminare. Workshops. Aber der eigentliche Reiz besteht in der extremen Fokussierung des Forums. Ein Weinbaugebiet. Eine Rebsorte. Kein Hin und Her. Kein Wechsel zwischen Rebsorten, Ländern, Gebieten, wie bei anderen Veranstaltungen. Nur Ahr. Nur Frühburgunder.

Alle Winzer grundsätzlich mit identischen Ausgangsbedingungen. Das macht es so spannend. Da zeigt sich, wer sein Handwerk ernst nimmt und seine Hausaufgaben gemacht hat. Und wer es hat schleifen lassen. Wer die Oberzicke zum Lachen bringt. Zum Tanzen. Zum Feiern. Und wer nicht. Es war alles dabei: von Siebter-Himmel bis Alter-das-geht-ja-gar-nicht! Und so wird das kleine Frühburgunder-Forum unversehens zur großen Lehrstunde in Winzer-Handwerk.

Das Forum als Lehrstunde in Sachen Winzer-Handwerk

„Grob fehlerhaft“ taucht nicht nur einmal in unseren Verkostungsnotizen auf. Da ging’s dann wohl im Weinberg schon los: schlechter Lesezeitpunkt, unsauberes Lesegut, mangelhafte Selektion. Und wurde im Keller nicht mehr besser. Die Oberzicke verzeiht eben keine Fehler. Sondern bringt sie umso deutlicher ins Glas.

Selbst bei einem der namhaften Spitzenerzeuger steht „flach, ausdruckslos, ohne Spannung“ in unseren Verkostungsunterlagen. Name tut hier nichts zu Sache. Kriegen eh gerade genug auf den Deckel, nicht nur für ihren Frühburgunder. Spaß macht das alles jedenfalls nicht. Gucken wir also lieber ans andere Ende der Skala. Da hin, wo die wahren Frühburgunder-Meister am Werk sind.


Die Ruine von Kloster Marienthal
Stand von Weingut Peter Kriechel mit sehr breitem und gutem Frühburgunder-Portfolio

Oben: So ruinös der erste Eindruck erscheinen mag, das Gartencafé inmitten der Ruinen ist absolut hinreißend.
Unten: Michael Kriechel, Peter Kriechel und Johan Larsson mit starkem Line-up – zehn verschiedene Frühburgunder.  


Dass wir den klaren, eleganten Stil vom Weingut Deutzerhof (Mayschoß) mögen und insbesondere deren Frühburgunder, ist spätestens seit dieser Geschichte kein Geheimnis mehr. Entsprechend groß die Freude am 15er Alpha & Omega (25 Euro), toller Jahrgang, geerntet aus zwei Lagen, ganz am Anfang und ganz am Ende des Ahrtals, die eine fett, die andere karg, was dem Wein eine wunderbare Kombination aus eleganter Frucht und kühler Mineralik verleiht. Groß!

Getoppt noch vom Großen Gewächs des Deutzerhofs, dem 14er Frühburgunder aus dem Mönchberg (36 Euro). Der zeigt enorme Kraft, dabei Eleganz, Finesse, Länge. Frühburgunder par excellence. Immer noch jugendlich in der Anmutung und mit weiteren fünf bis acht Jahren Potenzial. Klasse, wie gekonnt Betriebsleiter Hans-Jörg Lüchau die burgundisch inspirierte Handschrift Wolfgang Hehles weiterschreibt.

Herrliche Fundstücke auch beim Weingut Paul Schumacher (Marienthal). Hier wird weitgehend bio gearbeitet, möglichst spontan vergoren, aber ohne ein Dogma daraus zu machen. Maximal 1,8 bar Druck schonen die Kerne beim Pressen und ersparen uns Bittertöne. Auch die Maischestandzeiten reduziert man gerade: von früher eher drei Wochen auf aktuell eher zwei Wochen.

Entsprechend reintönig und minimalistisch, fast karg präsentieren sich die Weine. Der 14er Ahr Frühburgunder (13,50 Euro) mit seinen 60 hl/ha Ertrag puristisch, saubere Frucht, schön balanciert. Lustvoller Trinkgenuss für verhältnismäßig kleines Geld. Darüber angesiedelt der 15er Frühburgunder „Alegria“ (20 Euro): mit 40 hl/ha deutlich weniger Ertrag, stärkere Selektion, dadurch komplexer, kräftiger, etwas konzentrierter. Verführt mit klarer Frische, purer Eleganz und guter Struktur. Sehr gut!

Zwei Frühburgunder pro Weingut, das ist der Schnitt beim Forum. Manchmal ist’s auch nur eine Flasche, manchmal sind’s drei, selten vier. Aber zehn verschiedene Frühburgunder am Tisch – damit zeigen die Brüder Michael und Peter Kriechel vom Weingut Kriechel (Walporzheim) das mit Abstand breiteste Portfolio des Forums.

Sie sind so etwas wie die Könige des Frühburgunders: Sieger beim Deutschen Rotwein-Preis 2016 mit ihrem Frühburgunder 2012 aus dem Marienthaler Rosenberg. Flächenmäßig größter Anbauer von Frühburgunder weltweit. Und so was wie Frühburgunder-Flüsterer sind sie auch irgendwie. Eigenen Klon selektioniert. Und das Portfolio am Tisch, es ist nicht nur breit – es ist auch groß.

Die Frühburgunder-Flüsterer vom Weingut Kriechel

Den Auftakt macht ein Blanc de Noir Sekt Brut Nature aus 2014 mit 0,7 gr. Restzucker (20 Euro). Und guck mal einer an: Frühburgunder kann Prickel! Schön gemacht. Dezente Frucht, Frische, schöne Säure, Eleganz. Fein! Aber meines Wissens praktisch nicht zu kaufen, falls man nicht direkt im Weingut nachfragt.

Der 15er Jubilus Frühburgunder trocken (9,90 Euro) ist nicht nur bester Frühburgunder unter zehn Euro im Forum, er war auch offizieller Berlinale-Wein 2017. Deutlicher Qualitätssprung dann: der 14er Ahr-Frühburgunder B (15,50 Euro) aus dem Barrique. Herbe Frucht und Tiefe.

Bei der Selektion hat es im Jahr 2014 für die Goldkapsel-Edition nicht ganz gereicht. Deshalb haben die Kriechels ihre Selektion „abgestuft“, auf die Goldkapsel verzichtet und als 14er Frühburgunder „Edition PK“ exklusiv in Magnum-Flaschen abgefüllt (42 Euro). Meines Wissens ebenfalls ausschließlich auf Anfrage im Weingut erhältlich. Der 15er Martha Frühburgunder muss erwähnt werden (20 Euro): aus eigenem Klon gezogen, saftiger, süßer, leichter. Nur 400 Flaschen, deshalb ebenfalls nur auf Nachfrage erhältlich.

Und es hört gar nicht mehr auf: die großartige Goldkapsel 2013 Ahr-Jubilus Frühburgunder (25 Euro), herrlich samtig, saftig, gereift. Das 15er Pendant des Rotwein-Preis-Gewinners vom Marienthaler Rosenberg (39 Euro): fantastisch ausgewogen, jugendlich noch, dicht, mit feiner Würze. Daneben, aus der Schatzkammer und nur zum Verkosten: das Äquivalent aus 2009, kraftvoll, rund, vollkommen ausgewogen, exzellent gereift.

Und nicht zu vergessen der Exot am Kriechel-Tisch: Frühburgunder aus Schweden, aus dem früh reifenden, eigenen Klon der Kriechels, vom Weingut Stora Horn auf der Insel Hasslö. Inhaber Johan Larsson präsentiert mit dem 16er Jahrgang ein ehrgeiziges Projekt, das auf lange Sicht angelegt ist: hochqualitative Weine aus Südschweden. Das ist so außergewöhnlich, da reden wir sicher bei anderer Gelegenheit nochmal im Detail drüber. Aber Klimawandel und die Eigenschaften der Rebsorte zeigen: Da geht noch einiges in Sachen Frühburgunder – auch in Schweden. Es bleibt spannend.

Auf jeden Fall erlebenswert, wenn die Oberzicke auf dem Teppich bleibt, den die Ahr ihr ausrollt. Das nächste Frühburgunder-Forum dann im Frühjahr 2019. Genauen Termin und Eintrittskarten gibt es rechtzeitig über die Webseite des Verbands Ahrwein e.V. Es lohnt sich!


Transparenz-Hinweis: Der Besuch des Frühburgunder-Forums erfolgte auf Eigen-Initiative und eigene Kosten.

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Edgar Wilkening
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