Blaufränkisch oder Zweigelt – Vater oder Sohn? Grüner Veltliner oder Riesling – König oder Kaiser?
Als ich meine Freundin vor vielen Jahren kennen lernte, offenbarte sie mir in den ersten Kennenlernsätzen – nachdem sie erfuhr, dass ich Sommelier bin: „Also, ich für meinen Teil trinke momentan nur österreichische Weine!“ Aha, dachte ich, die locker fruchtigen, unkomplizierten Ösis.
Für mich waren damals, in den frühen Zweitausender-Jahren, gerade anstrengend anspruchsvolle Bordeaux-Weine und Übersee-Cabernets angesagt, und weniger die frisch schmusigen Tröpfchen aus dem gerade wieder auf der Weinweltkarte erschienenen „homo austriacus“-Ländle.
Nun ja, sie hatte natürlich auch Recht mit ihrer Wahl: gut süffig zu trinken waren die Allermeisten. Holzgeschwängert mit plüschig künstlicher Konzentration und feiner Fruchtsüße. Kaum Tannine und wenig Würze. Aber mit Anspruch …?? Nur die Allerwenigsten. (An zwei herzergreifende Ausnahmen kann ich mich sehr gut erinnern: der 2002er Syrah vom Weingut Kloster am Spitz – große Winzerkunst und Vision und natürlich auch die Blaufränkischen von Ernst Triebaumer.)
Aber viele Winzer kämpften zu dieser Zeit tatsächlich immer noch mit dem katastrophal ramponierten Ruf vom knapp zwanzig Jahren zurückliegenden Glykol-Skandal. Das war eine weltweite Katastrophe und blieb ziemlich lange in den Köpfen haften. Vergangen ist vergangen.
Der Münchener Sommelier und Weinjournalist Ed Richter. Schreibt auf wineroom.de regelmäßig über die große Welt der großen Weine.
Österreichische Weine genießen heuer weltweit höchstes Ansehen und haben keinerlei Absatzprobleme
Wie ist denn eigentlich die Gegenwart? Komplett das Gegenteil, finde ich!
Österreichische Weine genießen heuer weltweit höchstes Ansehen und haben aktuell keinerlei Absatzprobleme. Grüner Veltliner, Zweigelt und Blaufränkisch und deren Cuvée-Schwestern sind praktisch in aller Munde. Gerade die Roten sind im Gegensatz zu ihren deutschen Pendants viel kräftiger und internationaler.
Hilfreich ist dabei das deutlich mildere und wärmere Klima im Westen der Alpenrepublik. Immerhin ist ein Drittel der knapp 50.000 Gesamthektar mit Rotweinen bestockt.
Ein Teil der Winzer möchte mit extraktreichen, dunklen und bordeauxähnlichen Blaufränkischen – gestützt von Cabernet und Merlot – die Weinwelt erobern. Die anderen arbeiten Richtung Burgund und kreieren tolle, elegante Pinot-Noir-Zwillinge, wie es zum Beispiel Dorli Muhr aus dem Carnuntum zeigt.
Und beide Lager haben ihre Fans! Wir wissen ja, über Geschmack lässt sich nicht streiten. Es muss, und es wird immer verschiedene Stile geben.
Von den aktuellen Stilen und Qualitäten konnte ich mich erst neulich überzeugen. Denn da luden die 63 Traditionsweingüter alle relevanten nationalen und internationalen Journalisten und Händler ins wunderschöne Schloss Grafenegg ein, um die „Ersten Lagen – 1ÖTW“ zu verkosten und diese Weine dann mit Punkten zu bewerten!
Achtung, zum Verständnis: Diese „1ÖTW – Erste Lage“-Weine sind die Speerspitze der Qualitätspyramide! Somit die Besten der Regionen.
Anders als in Frankreichs Premier- und Grand Cru-Einteilung oder Deutschlands Erste Lage und Große Lage beim VDP gibt es noch keine ÖTW Große Lage.
Warum?, könnte man sich im Jahre 2020 fragen. Keiner weiß es so richtig zu erklären. Aber nun wird es wohl Zeit das Format zu vervollständigen, finden die Verantwortlichen und kreieren in naher Zukunft eine neue Qualitäts-Ebene.
An oberster Stelle wird man dann die „Großen Gewächse“ aus den „Großen Lagen“ stellen! Das wird sehr spannend werden.
Am Start waren 63 Winzer mit ihren 207 Lagenweine aus 89 klassifizierten Lagen! Aus den Anbaugebieten: Kamptal, Kremstal, Wien, Wagram, Carnuntum und Traisental.
Dazu kamen noch die 58 Rieden-Weine aus DAC Eisenberg und DAC Leithaberg. Alle Weißen und Roten waren aus den warmen Jahrgängen 2018 und 2019. Einige wenige sogar aus 2017.
Weine der Ersten Lage sind die Speerspitze der Qualitäts-Pyramide, somit die besten der Regionen.
Es gab auch etliche Ausreißer, genau wie bei VDP Großen Gewächsen und deren Qualität.
Viel zu verkosten, beschreiben und zu bewerten? Und wie! Knapp 90 Weine pro Tag, das ist echt harte Arbeit.
Aber natürlich ist es auch ein einmaliges Erlebnis so viele Premiumweine, so komprimiert nebeneinander zu probieren. Da bekommt man schnell einen guten Überblick und intensives Gefühl für die großen Weine der Traditionsweingüter.
Dennoch muss gesagt werden, dass es auch etliche Ausreißer gab. Genauso wie die Diskussionen über die deutschen VDP Großen Gewächse und deren Qualität seit geraumer Zeit entbrannt sind, standen auch hier schmale 12,5-prozentige Rebensäfte im Kontext zu fetten, teilweise brandigen 14,5 und sogar 15 Alkohol-Volumen-Boliden. Was soll das denn?, fragte ich mich öfter mal und gab 80 oder weniger Punkte!
Jetzt aber zu den absolut Besten und hoffentlich bald zu den „Grand Crus“ zählenden Weltklasse-Weinen, die ich allesamt mit deutlich über 90 Punkten bewertet habe.
In meinem persönlichen Fokus standen natürlich GV und Riesling bei den Weißen und Zweigelt und Blaufränkisch bei den Roten. Allerdings sind die „Gemischten Sätze“ aus Wien auch immer für eine positive Überraschung gut. Gibt es nun wirklich selten in Europa so komplexe und weit gefächerte Aromenwunderweine.
Grüner Veltliner
Der ganze Stolz und das große Aushängeschild Österreichs und wird seit über 400 Jahren mit wachsender Begeisterung getrunken. Wie ich finde auch zurecht.
Diese urösterreichische Rebsorte ist der “unangefochtene König” und kann in allen Facetten glänzen – mit Holz, ohne Holz, jung oder gereift, Amphore oder Orange. Vieles ist möglich. Aber Pfefferl …?? Nee, sorry echt nicht! Na, klar findet man bei dem einen oder anderen weißen Pfeffer in der Nase, aber bei den 14 prozentigen Fruchtgranaten sicherlich nicht! Also bitte aufhören mit den leidlichen Pfefferl-Pauschal-Dichtungen für alle GVs. Ja, die richtig guten schmecken burgundisch – ein großes Kompliment für alle. Und haben Burgunder etwa Pfefferl …? Na also! Ende mit der Diskussion.
Wie kaum ein anderer Wein bringt er bei guten Winzern eine griffige und dabei sanfte Vielschichtigkeit so geballt ins Glas, das es immer wieder ein Geschmackswunder ist. Für die Vinifizierung dieser Sorte werden alle erdenklichen Möglichkeiten herangezogen. Mal ist viel Frucht, mal die Würze für die Macher von Wichtigkeit und im Fokus.
Oft erkennt man ihn durch die feine Birnenfrucht gepaart mit verschiedenen blütenduftigen Nuancen. Oft auch etwas exotischer mit leichten Mango und reife Orangenfrucht, dann aber mit der typischen steinigen Würze unterlegt. Der Terroirgedanke steht bei allen Winzer natürlich und selbstredend im Vordergrund. Der Säurebogen fällt beim Grünen Veltliner deutlich zarter und weniger markant aus als beim Riesling.
Falls das Handwerk und das Können des Weinmachers stimmen, kommen im besten Fall noch salzig-mineralische Komponenten dazu. Wenn dann der Wein ein paar Jahre alt ist und zusätzlich im Barrique weilte, ist er von einem großen Burgunder kaum zu unterscheiden. Einfach Weltklasse. So wie diese hier …
Die urösterreichische Sorte ist der "unangefochtene König" und kann in allen Facetten glänzen.
2019 GV aus der Ried Gallien
Weingut Fuhrgassl-Huber aus Wien
2019 GV aus der Ried Goldberg
Weingut Diwald aus dem Wagram
2019 GV aus der Ried Schlossberg
Weingut Fritsch aus dem Wagram
2019 GV aus der Ried Loiserberg
Weingut Jurtschitsch
2019 GV aus der Ried Ehrenfels
Weingut Proidl aus dem Kremstal
2019 GV aus der Ried Wachtberg
Weingut Salomon Undhof
2019 GV aus der Ried Wachtberg
Weingut Stadt Krems
2019 GV aus der Ried Lamm
Weingut Steininger aus dem Kamptal
2019 GV aus der Ried Thurnerberg
Weingut Türk aus dem Kremstal
Riesling
Der Urdeutsche aus dem frühen 15. Jahrhundert. Auch hier in Österreich findet er bestes Terroir vor und ist zusammen mit unseren deutschen Top-Weinen auf allerhöchstem Niveau, sowie auf der Welt unerreicht.
Der minimale Unterschied vielleicht: Bei unseren Nachbarwinzern mit ein paar Nuancen weniger Säure ausgestattet und etwas körperreicher als die “Kaiser-Rebsortenweine” bei uns.
Findet auch in Österreich bestes Terroirund ist auf höchstem Niveau.
2019 Riesling aus der Ried Ehrenfels
Weingut Proidl
2019 Alte Reben aus der Ried Heiligenstein
Weingut Bründlmayer
2019 Riesling aus der Ried Moosburgerin
Weingut Buchegger
2019 Alte Reben aus der Ried Heiligenstein
Weingut Jurtschitsch
2019 Riesling Privat aus der Ried Hochäcker
Weingut Nigl
2019 Riesling aus der Ried Berg
Weingut Markus Huber
Blaufränkisch
Die etwa 250 jährige Rebsorte kommt wahrscheinlich aus dem Süden Österreichs und ist als Cuvéepartner super kombinierbar mit anderen, internationalen Rebsorten, aber auch als Solist ein hervorragender Speisebegleiter.
Normalerweise ist er eine Gewürzgranate mit intensiven Aromen von Waldbeeren, wie Brombeere und Blaubeeren aber auch Cassis, Pflaume, Holunder mit intensiver Wacholdernote sind oft präsent. Dunkel wie die tiefste Nacht mit purpurlila Reflexen. Balsamische Noten von Lorbeer und auch einen Hauch von Graphit und Liebstöckel sind immer obligatorisch und geben ihm eine noch zusätzlich kühle, straffe Aromatik. Lakritzig, rauchige Gerbstoffe, die je nach Alter heftig ausfallen können.
Immer ist er deutlich anstrengender, konzentrierter und wuchtiger als sein Nachkomme, der Zweigelt. Deshalb ist er eigentlich auch immer gut für eine sehr lange Lagerzeit geeignet und dementsprechend auch ein hervorragender Speisebegleiter für satte Fleischgerichte.
Die etwa 250 Jahre alte Rebsorte stammt aus dem Süden Österreichs.
2018 Blaufränkisch aus der Ried Spitzerberg
Weingut Dietrich
2018 Blaufränkisch aus der Ried Bärnreiser
Weingut Walter Glatzer
2018 BF aus der Ried Spitzerberg
Weingut Dorli Muhr
2017 BF aus der Ried Marienthal
Weingut Prieler
2017 BF aus der Ried Marienthal
Weingut MAD
2018 BF aus der Ried Saybritz
Weingut Poller
2017 BF aus der Ried Spitzerberg
Weingut Payr
Zweigelt
Der Tausendsassa und mittlerweile der meist angebauteste Rote im Alpenland. Die Eltern sind der elegante, feine St. Laurent und der kräftig, würzige Blaufränkisch. Schwierig ist eigentlich nur seine Geschichte – angefangen 1922 mit der Züchtung in diesen sehr schwierigen Zeiten von Friedrich Zweigelt.
Alles wäre kein dramatisches Problem, wenn der renommierte Direktor der Höheren Staatslehranstalt für Weinbau nicht nachweislich glühender Anhänger der NSDAP vor und nach dem Krieg gewesen wäre. Deshalb entbrannte vor ein paar Jahren ein reger Diskurs einer Initiative zur Umbenennung der Rebsorte.
Dem stetigen Erfolg des Blauen Zweigelts in den letzte 25 Jahren hat das keinen Abbruch getan. Hat sich seine Anbaufläche mehr als verdoppelt!
Geruch und Geschmack sind je nach Ausbau verschieden. Im Duft sind oft rote und dunkle Beerenfrucht, reife Sauerkirschen, Zwetschgen und pfeffrig, würzige Aromen wahrzunehmen. Erdige vegetabile Noten gepaart mit Waldboden und Unterholz.
Er besitzt einen saftigen Körper, von Kirschen dominierte Primärfrucht mit seidigen Gerbstoffen und deutlicher Säurestruktur. Wenn er im Holz weilte, fällt er weniger frisch aus und hat rauchige, dunkle Schokolade und schwarzer Olivenpaste im Finale. Zweigelt ist normalerweise niemals kompliziert und gibt seinem Genießer viel Trinkfreude und Lust auf ein zweites Glas.
Ein Tausendsassa und mittlerweile die am meisten angebaute rote Rebsorte Österreichs.
2018 Zweigelt aus der Ried Haidacker
Weingut Oppelmayer
2018 Zweigelt aus der Ried Kirchweingarten
Weingut Gerh. Markowitsch
2018 ZW aus der Ried Steinäcker
Weingut Robert Payr
Meine zusätzlichen Ösi-Weltklasse-Geheimtipps
2018 Weissburgunder aus der Ried Golden Erd
Weingut Tinhof
2019 Gemischter Satz aus der Ried Himmel
Weingut Edlmoser
2018 Gemischter Satz aus der Ried Ulm
Weingut Wieninger
2018 Blaufränkisch-Zweigelt-Merlot aus der Ried Rosenberg
Weingut W. Glatzer
2018 Zweigelt aus der Ried Kirschweingarten
Weingut Gerh. Markowitsch
2018 ZW aus der Ried Steinäcker
Weingut Robert Payr
Für weitere Informationen
Bundesverband Österreichische Traditionsweingüter
c/o Kloster Undstraße 6, A-3500 Krems
Ansprechpartner: Hannelore Geyer
Tel. +43 664 487 37 04
https://www.traditionsweingueter.at/lagenpraesentation/
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