Weingut Friedrich Becker: Ein Rosé ist ein Rosé ist ein Rosé …
Rosé will jung getrunken werden. Rosé ist quietschig bunt im Glas und in der Nase. Rosé ist nichts für Wein-Kenner … Nicht eines dieser gängigen Vorurteile trifft auf den roséfarbenen Wein zu, der oben zu sehen ist.
Was wahrscheinlich damit zusammenhängt, dass das kunstvoll gestanzte Etikett zwar vielfach wieder und wieder behauptet, „ein Rosé ist ein Rosé ist ein Rosé“ – der Wein sich tatsächlich aber tänzelnd zwischen Rotwein und Weißwein bewegt, statt sich wie ein Rosé zu gebären.
Will jung getrunken werden? Dieser Wein stammt aus dem Jahrgang 2010 und wurde erst im Jahr 2019 verkostet – ganze acht Jahre nach Flaschenfüllung. Was für eine grandiose Lebendigkeit und Frische im Glas nach so langer Zeit. Ein Anflug von Reifetönen in der Nase – aber dennoch am Gaumen kein bisschen müde.
Quietschig bunt? Von wegen! Eher kupferfarben, dabei leicht milchig trüb weil unfiltriert. Im Mund mit einer Ernsthaftigkeit, die für einen roséfarbenen Wein vollkommen verblüfft. Frische und Cremigkeit eines großen Weißweins verbunden mit Textur und Tiefgründigkeit eines guten Rotweins. Irre Kombination!
Selbst mal probieren, dieses Wahnsinns-Erlebnis? Dürfte schwer werden …
Denn dieser Wein dürfte längst ausgetrunken sein. Womöglich handelte es sich bei der Flasche oben um eine der letzten, die überhaupt noch in privaten Kellern schlummerte. Ausgetrunken. Für immer.
Diese Endlichkeit und Endgültigkeit war von Anfang an Teil des Konzepts bei diesem Wein.
Denn er stammt von der Deutschen Weinentdeckungsgesellschaft. Ein Projekt des umtriebigen Vinum-Chefredakteurs Carsten Sebastian Henn, der über nahezu ein Jahrzehnt jedes Jahr einen Wein kreiert hat, den es so vorher noch nie gab – und auch danach nie wieder geben sollte.
Dafür hat sich Henn jedes Jahr ein anderes, namhaftes Weingut als Partner gesucht, mit dem er seine Idee eines außergewöhnlichen, oft auch polarisierenden Weins realisiert hat. Der Erstling „Roter Baron“ vom Weingut Knipser. Der legendäre „Neumond“ von Klaus-Peter Keller. Der doppelt im neuen Barrique ausgebaute „Crus de bois“ vom Weingut Johner.
Und dann in den Jahren 2010/2011 eben dieser Rosé, für den Henn das für seine Rotweine hochgerühmte Weingut Friedrich Becker im pfälzischen Schweigen gewinnen konnte.
Ein Monument von Rosé. So ungewöhnlich wie er sich präsentiert, so ungewöhnlich auch seine Ursprünge: Spätburgunder, Cabernet Sauvignon, Portugieser. Alles separat ausgebaut, teils im Edelstahl, teils im Barrique, dann punktgenau vermählt.
Von vornherein nicht auf den schnellen Genuss angelegt, sondern auf Langlebigkeit und Reife. Bei einem Rosé? Jawohl. Chapeau, fantastisch gemacht.
Einzigartigkeit
Verblüffungsfaktor
Durchdachtheit
Schade-Faktor
Ein Denkmal ist ein Denkmal ist ein Denkmal für dieses Monument von Rosé
Redaktioneller Hinweis, 28. August 2019
In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, die Deutsche Weinentdeckungs-Gesellschaft sei leider nicht mehr aktiv.
Der Autor ist darauf hingewiesen worden, dass diese Aussage falsch und die Deutsche Weinentdeckungs-Gesellschaft sehr wohl nach wie vor aktiv sei.
Ein bemerkenswerter Hinweis. Denn:
- sind die Inhalte der Website der Deutschen Weinentdeckungs-Gesellschaft für den Autor seit Jahren nicht mehr abrufbar sind, da offenbar „flash-basiert“ (was ein Synonym für „völlig aus der Zeit gefallen“ ist).
- heißt es auf der Website ploppster.de, die vom gleichen Betreiber verantwortet wird, im Original-Wortlaut: „Aus der ‚Deutschen Wein-Entdeckungs-Gesellschaft‘ wird… Ploppster – Bottled Soul.“ (Quelle: ploppster.de/uber-uns).
Möge sich der geneigte Leser seinen eigenen Reim auf diese Ungereimtheiten machen.
Unabhängig davon hat der Autor den obigen Beitrag natürlich entsprechend angepasst und die Aussage, die Deutsche Weinentdeckungs-Gesellschaft sei leider nicht mehr aktiv, ersatzlos gestrichen.
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