Hallo Dr. Sommelier,
ich hab das jetzt schon mehrmals gehört bei Weinshows und Verkostungen. Da probiert jemand einen Wein und sagt dann anerkennend: trink ich. Und zwar selbst dann, wenn er ihn – und das verstehe ich nicht – direkt vorher ausgespuckt hat, also eben gerade nicht trinkt. Ich finde das verstörend. Sie nicht?
Fragt mit freundlichen Grüßen
Ihre Susanne G. aus H.
Liebe Susanne G.,
ich verstehe das. Dazu muss man aber wissen: trinkich ist Teil des offiziellen Fachvokabulars der Weinsprache.
Mit trinkich bezeichnet der Experte einen Wein, den er so gut findet, dass er ihn bei Gelegenheit sogar mal privat anrühren würde – nicht nur professionell dran nippen bei einer Verkostung. Es hat also nichts damit zu tun, ob er den Wein soeben tatsächlich getrunken oder ihn ausgespuckt hat. Entscheidend ist der Konjunktiv „würde“.
Offizielle Steigerungsform von trinkich ist übrigens nicht sehrtrinkich (auch wenn man das fälschlicherweiser bisweilen hören kann). Sondern: trinkichsofort beziehungsweise trinkichauffastelle. In der Weinsprache werden beide Termini gleichbedeutend verwendet und beschreiben eine sehr hohe Weinqualität (bisweilen auch nur einen sehr hohen Flaschenpreis).
Im Gegensatz dazu steht trinkichnich (nicht zu verwechseln mit der an Begleiter gerichteten Frageform trinkich, nich?) für eine eher mindere Weinqualität. Hier das gesamte Glossar dieser speziellen Weinsprache für Sie in der Übersicht:
- trinkich ⇒ würde ich auch privat trinken, wenn man ihn mir anbietet (Punkte-Äquivalent: circa 83 bis 88)
- trinkichsofort / trinkichauffastelle ⇒ würde ich privat auch ein zweites und drittes Glas von trinken (Punkte-Äquivalent: circa 89 bis 93)
- saufich ⇒ schenk nach, ich trinke den Wein hier gerade privat (Punkte-Äquivalent: circa 94 bis 100)
- trinkichnich ⇒ sowas würde ich privat höchstens meinen Gästen hinstellen (Punkte-Äquivalent: circa 76 bis 82)
- trinkdudoch ⇒ weinfachlich korrekte, aber derbe Herabwürdigung einer Person (Punkte-Äquivalent: alles unter 76)
Ich weiß, das mag im ersten Moment verwirrend klingen. Aber wenn man sich die Grundbegriffe einmal einprägt, hat man bei der nächsten Weinprobe garantiert nochmal so viel Spaß. Und Sie können eventuelle Nervensägen fachlich einwandfrei, aber nachhaltig beleidigen.
Mit den besten Wünschen für Ihr vinologisches Wohlbefinden
Ihr Dr. Sommelier
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