Hallo Dr. Sommelier,
jede Hausfrau weiß ja, wie wichtig es ist, Gemüse und Obst vor dem Verzehr zu waschen. Deshalb meine Frage: Wann werden eigentlich die Trauben gewaschen, aus denen Wein gemacht wird?
Liebe Grüße
Rita P., Bad Oldesloe
Liebe Rita P.,
da sprechen Sie ein äußerst heikles Thema an. Die meisten Weinproduzenten würden es gerne vermeiden, darüber zu reden. Denn an diesem Punkt entpuppen sich fast alle Erzeuger als Dreckspatzen und Schmutzfinken.
Die schmuddelige Wahrheit: Die überwiegende Zahl der Winzer wäscht ihre Trauben gar nicht. Sondern schickt das Lesegut in der Regel so, wie es geerntet wird, direkt in die Presse – unabhängig davon, ob sich Fliegendreck, Vogel-Aa oder noch ganz anderes auf der Beerenschale befindet.
Wenn Sie sichergehen wollen, dass der Wein, den Sie trinken, aus Trauben stammt, die vor der Weiterverarbeitung gewaschen wurden, empfehle ich Ihnen auf dieses Zeichen zu achten.
Gütesiegel des „International WBP Consortium“. Der „Washed Before Processing“-Standard stellt sicher, dass die Winzer, die sich dem Standard verpflichten, ihre Trauben vor der weiteren Verarbeitung zunächst waschen.
Es ist das Gütesiegel der Winzer, die sich dem internationalen „WBP-Standard“ verpflichtet haben. „WBP“ ist das Kürzel für „Washing Before Processing“, also für das Waschen der Trauben vor der weiteren Verarbeitung zu Wein.
Hersteller, die dieses Zeichen auf ihrem Etikett führen, sind vom „International WBP Consortium“ zertifiziert. Sie werden regelmäßig kontrolliert, ob ihr Lesegut vor der Weiterverarbeitung vorschriftsmäßig gewaschen wird – so, wie es auch jede Hausfrau machen würde.
Nach Orangewein und veganem Wein dürften Washed-Before-Processing-Weine das nächste große Ding der Weinwelt werden. Denn meiner Erfahrung nach können Sie nur bei Weinen mit WBP-Zeichen wirklich sicher sein, dass die Trauben, deren Saft sie im Glas haben, gewaschen sind. Ob das aber auch einen Wein garantiert, der sich gewaschen hat und im önologischen Sinne sauber ist, ist nochmal eine ganz andere Frage.
Mit den besten Wünschen für Ihr vinologisches Wohlbefinden
Ihr Dr. Sommelier
- Sur lie – oder sans lie …? - 1. September 2017
- Erzeuger-Abfüllung: Ist da was dran …? - 29. Mai 2017
- Wann werden die Trauben gewaschen? - 23. Mai 2017
… so ein Blödsinn!
Ach was??
Was soll denn das für einen Sinn haben?
Alles, was da an natürlichen Unreinheiten drin ist, ist auf der Haut, die sowieso nicht in den Wein kommt. Eventuelle Schädlingsbekämpfungsmittel wirken systemisch von innen, also bringt waschen nichts.
Und alles, was tatsächlich ungewünscht im Wein landet, wird doch durch den Alkohol abgetötet. Außerdem wird noch geschwefelt, filtriert und geklärt. Da überleben keine Bakterien.
Durch das Waschen wird außerdem der Most verdünnt, und die natürlichen Weinbergshefen abgewaschen. Beides will man nicht. Die Verdünnung sorgt für weniger Zucker als Nahrung für die Hefen, somit auch weniger Alkohol. Und die natürlichen Hefen will man für eine natürliche Vergärung haben. Nicht nur, damit man kein gekauftes Hefengemisch zusetzen muss, sondern auch, um charakteristische Noten für den speziellen Weinberg im Wein zu erhalten, da die Hefen ein wichtiger Teil des Terroirs sind.
Insofern: Das Lesegut zu waschen ist aus meiner Sicht völlig unnötig und sogar kontraproduktiv. Die Hausfrau wäscht ihr Gemüse vor dem Verzehr. Und natürlich nimmt auch der Weintrinker ein sauberes Glas. Aber die Weinherstellung ist ja etwas ganz anderes als der direkte Verzehr.
Noch als Anmerkung: Üblicherweise tragen die Erntehelfer bei der Weinlese auch Handschuhe, so dass sie selbst das Lesegut nicht kontaminieren. Obendrein sind diese auch essentiell für die Sicherheit, da farbige Lesehandschuhe die Gefahr von Schnittverletzungen verringern.