In der ersten Runde unseres Fakten-Check hatten wir uns mit der Frage befasst: Wein, Bier, Gin, Limo – welche Hersteller machen es sich bei ihrem Produkt besonders leicht, indem sie einfach den Wasserhahn aufdrehen, um ihr Produkt voll zu kriegen. Das Ergebnis inklusive Infografik gibt es hier.

Vorhang auf für Runde zwei unserer achtteiligen Serie. Hier geht’s darum: Bei welchen Getränken haben es die Hersteller herrlich bequem, weil sie sich die Zutaten (abgesehen vom Wasser) nach Lust und Laune liefern lassen können? Schauen wir uns die Fakten mal an – und dafür direkt in den Produktionsprozess.

[easy-tweet tweet=“Bier und Gin sind wie Tütensuppe im Vergleich zu Wein.“ hashtags=“Wein,Bier,Gin,Infografik“]


Easy peasy alle Zutaten liefern lassen

Man kann vom deutschen Reinheitsgebot halten, was man will. Und in der Tat: Es verspricht mehr, als es am Ende hält. Aber wer ein ordentliches Bier brauen will, braucht dazu in der Regel wirklich nur Wasser, Malz, Hopfen, Hefe. Punkt. Wasser lassen wir in dieser Runde außen vor, hatten wir gesagt. Bleiben noch: Malz, Hopfen, Hefe.

Mag sein, dass es irgendwo zwei, drei Brauer gibt, die verrückt genug sind, ihr Getreide selbst anzubauen und zu mälzen, eigenen Hopfen kultivieren und auch ihre Hefekulturen selbst pflegen. Der Regelfall sieht anders aus. Wer Bier braut, im kleinen Stil wie im großen, besorgt sich seine Rohstoffe dafür im Industriebedarf. Anruf genügt – Lieferung kommt. Säckeweise. Wenn nicht gleich ganze Silos gefüllt werden.

Ebenfalls die Regel: Der Brauer bezieht nicht etwa Getreide. Würde unnötig Arbeit machen: wässern, keimen, darren – puuuh … Einfacher geht’s mit industriell vorbereitetem Braumalz. Das wählt man wie im Katalog aus. Gibt hunderte Varianten. Alle genau spezifiziert. Ganz wie man’s braucht. Das Getreide dafür kommt meist vom Weltmarkt. Dort, wo Großhändler oder Importeure die entsprechenden Qualitäten entsprechend günstig einkaufen können. Bequem für den Brauer. Bloss kein Stress hier.

Ganz ähnlich beim Hopfen. Die Kultursorten des Echten Hopfen wachsen eh nur in sehr kleinen, klimatisch speziellen Gebieten. Nach der Ernte werden die Dolden getrocknet und kommen meist als gepresste Pellets in den Handel. Was darf’s sein? Neuseeländischer Hopfen? Amerikanischer? Klassischer Hallertauer? Oder einer von den angesagten Fertig-Mixes?

Auch bei der Hefe nimmt man den Katalog zur Hand. Hunderte Sorten. Welches Aroma soll’s denn werden im Bier? Am Ende stehen am Sudkessel Säcke mit Braumalz, Eimer brauner Pellets und Tüten voll getrockneter Hefekulturen. Quasi Tütensuppe für Braumeister: Menge abmessen – umrühren – fertig.

Aber mal ehrlich: Bei Gin und Limo ist die Lage genauso. Wer einen angesagten Gin auf die Designerflasche ziehen will, geht im Regelfall auch nur shoppen. Erstens Agraralkohol und zweitens Kräuterchen, mit denen der Alkohol aromatisiert wird. Alles in beliebigen Mengen und großer Auswahl erhältlich.

Bei Limo heißen die Zutaten zwar Sirup, Zucker, Zitronensäure, Farbstoff, Kohlendioxid oder was auch immer. Aber die Verfahrensweise ist dieselbe: Fünf Säcke hiervon, zwei Tüten davon, acht von dem – Ware kommt. Mischen, fertig, ab dafür. Herrliche Zeiten für Hersteller von Szene-Zeugs.

Infografik Fakten-Check "Wein versus Bier, Gin, Limo" 2. Kategorie: Wie einfach können Hersteller sich ihre Basis-Rohstoffe liefern lassen??

Einzig der Wein knallt da richtig raus. Na klar, es gibt ein paar große Erzeuger, die Trauben oder Grundwein zukaufen. Aber wenn wir den durchschnittlichen, handwerklich arbeitenden Winzerbetrieb nehmen, der kann niemanden anrufen und sagen: Schick mir mal bis morgen acht Säcke dies, fünf Säcke das.

Halt, stimmt nicht! Ist natürlich vollkommen richtig: Auch im Weingeschäft gibt es Lieferanten, die den Winzer mit Industriebedarf versorgen. Zum Beispiel mit Hefen. Mit Schwefel. Mit Schönungsmitteln. Auch mit Zucker, klar. Bei simplen Qualitätsweinen (also bei Weinen ohne Prädikat wie Kabinett, Spätlese, Auslese …) darf in Deutschland der Most vollkommen rechtmäßig angereichert werden, um den Zuckergehalt im Most etwas zu erhöhen. Aber Achtung, Leute: Der Zucker wird vor der Gärung zugegeben! Ziel ist nämlich nicht süßer Wein, sondern etwas höhere Alkoholgradation.

Und was die Hefen betrifft, da ist die Situation in der Weinwirtschaft mindestens so bunt wie bei den Brauern. Hunderte gezüchteter Spezialhefen, die ganz gezielt auf bestimmte Ergebnisse, auf bestimmte Aromen hin optimiert sind. Aprikose beim Riesling? Melone beim Grauburgunder? Solche Hefen muss der Winzer nicht zwangsläufig einsetzen. Und viele Winzer lassen die Finger davon. Aber wenn ein Winzer es tut, hat er ähnliche Tüten zum Anrühren neben dem Tank stehen wie seine Kollegen am Sudkessel.

Zucker, Schwefel, Hefen – das reicht, damit in unserer Grafik oben immerhin ein kleines grünes Streifchen beim Wein erscheint. Es repräsentiert den Anteil der Zutaten, die ein Winzer sich für sein Produkt bestellen und liefern lassen kann. Minimal. Der Rest seiner Zutaten: Das ist der Traubenmost. Und den kann man nirgends im Industriebedarf ordern. Hartes Leben im Vergleich zu den Kollegen von Limo, Bier und Gin. Aber dafür gibt’s am Ende ein hochkarätiges Produkt.

Fazit in Runde Zwei: Wer’s bequem mag, bleibt bei Bier, Gin, Limo

In punkto Rohstoffe jedenfalls hat’s jeder, der Bier braut, Gin destilliert oder Limo abfüllt, deutlich leichter als ein Winzer. Hundert Prozent der Rohstoffe: einfach aussuchen, anrufen, liefern lassen. Und wenn was fehlt oder aus ist? Kein Problem: Da steht das Telefon. Lkw fährt morgen vor. Easy peasy.

Von solchen Bedingungen können Winzer nur träumen. Aber dafür werden sie mit einem vollkommen anderen Produkt belohnt – weit entfernt von Bier, Gin, Limo. In einer Liga? Von wegen! Bis jetzt hat keiner der Konkurrenten auch nur annähernd die Liga von Wein erreicht.


Alle veröffentlichten Beiträge dieser achtteiligen Serie finden Sie hier in der Übersicht.

Edgar Wilkening
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