Künstler Kostheim Weiß Erd 2009
Was ist die Vorgeschichte?
Immer, wenn Geheimagent Null-Null-Neun auf dem Etikett erscheint, wird der Autor dieser Zeilen misstrauisch. Der Jahrgang 2009, von der Weinbranche und Presse hochgejubelt zum Jahrhundert-Jahrgang, entpuppt sich beim Riesling leider allzuoft als müder Mofa-Müffler.
Das ach so gute Weinjahr Doppelnull-Neun – für viele Winzer mochte es sich anfühlen wie ein Spaziergang durch die Jahreszeiten: keine Spätfröste, kein Dauerregen, keine verregnete Ernte … Dieses leichte Jahr – aus heutiger Sicht das glatte Gegenteil: verdammt schwieriges Jahr – wenn auch auf ganz andere Art als die kühlen Jahrgänge. Wer da seine Hausaufgaben nicht erledigte, hatte schnell Tankstellengrütze im Fass.
Wer seinen Riesling rösten ließ in praller Sonne, statt die Trauben mit ordentlicher Blattarbeit vor zu viel Sonnenschein hinter Laubwerk zu schützen, erntete dafür, was wir auch von der menschlichen Haut kennen: Sommersprossen. Pigmente, die die Traube in der Schale bildet, um sich vor UV-Licht zu schützen – wenn’s der Winzer nicht macht.
Was bei Menschen ganz niedlich aussehen kann und mit den ersten grauen Herbstwochen wieder verfliegt, hat beim Riesling deutlich längere Auswirkungen. Denn die in der Traubenschale eingelagerten Pigmente verwandeln sich später in Aromastoffe, die nach Petrol riechen. (Was da biologisch und chemisch genau passiert, kann man zum Beispiel hier nachlesen auf der Website des Bunds Rheingauer Weinbaufachschulabsolventen e.V.)
„Tankstelle“ nennen wir diesen Petrolton im wineroom. Oder einfach „mies gearbeitet“, wenn’s in jungen Jahren schon auftritt.
Weinagent Null-Null-Neun: womöglich ein müder Mofa-Müffler?
Okay, in Australien kultivieren sie den Mofa-Müffler sogar und jazzen ihn zur Terroir-Typizität hoch. „Daran erkennst du australischen Riesling.“ Wollen wir trotzdem nicht im Glas haben. Was haben wir hier an 2009ern nicht schon alles fachgerecht im Ausguss entsorgt! Deshalb das Misstrauen gegen Doppelnull-Neun-Agenten auf dem Etikett.
Also: Wird uns womöglich auch der Weiß Erd einen Stopp an der Tanke bescheren – bevor’s weitergeht Richtung Australien?
Was kam in die Gläser?
Künstler Kostheimer Weiß Erd 2009 Erstes Gewächs Riesling trocken, 13 % vol., A.P.Nr.40 060 017 10
Welche Ausstattung hat die Flasche?
Schlegelflasche, Naturkorken
Wer hat’s auf die Flasche gberacht?
Weingut Künstler, Gunter Künstler, Geheimrat-Hummel-Platz 1a, 65239, Hochheim am Main, Rheingau, Deutschland, www.weingut-kuenstler.de
Wo kommt die Buddel her?
Direkt ab Weingut bezogen, als der Jahrgang in den Verkauf kam.
Was kostet der Spaß?
Aktuelle Jahrgänge liegen um die 24 Euro ab Hof, der Doppelnull-Neuner damals Anfang 20.
Wie ist der Doppelnull-Neuner denn nun?
Goldgelb und nahezu ölig ergießt sich Agent Null-Null-Neun ins Glas. Und dann sofort der Schnüffel-Check! Da wird aus der Doppelnull eine Dreifach-Null. Tanke? Null! Mofa? Null! Firnis? Null! Respekt, so viel Null – das geht gut los.
Und geht genauso gut weiter. „Flüssiger Kalk“, jubelt Weinteacher Ed Richter am Verkostungstisch. Und erklärt damit auch den Namen Weiß Erd. Im Sommer leuchtet der kalkhaltige Boden in der Kostheimer Lage hell im Sonnenlicht. Nahezu weiß die Erde. Weiß Erd eben.
Mineralisch in der Nase, steinig, verhalten gelbfruchtig, eher kräutrig. Im Mund kraftvoller Body. Yep, warmes Jahr eben. Aber super strukturiert. Füllig, cremig, dabei kein bisschen breit, kein bisschen mastig. Auf einer mineralischen Tiefe und vitalen Säure aufgebaut, die den muskulösen Body locker tragen. Nochmal Respekt.
„Mehr geht nicht bei Riesling“, jubelt der Weinteacher.
Der Weinteacher verkostet den Wein blind. Schafft es, ihn nahezu vollständig einzuordnen: Anbaugebiet, Jahrgang, Weingut … Und flippt fast aus vor Freude: „Mehr geht nicht bei Riesling. Fantastisch. Ich liebe Gunter Künstler!“
Was soll man auch anderes sagen bei so einem Glanzstück. Sieben Jahre auf dem Buckel, und noch kein bisschen Alterungstöne. Auch dafür nochmal Respekt. Das ist einem Ersten Gewächs (heute Großes Gewächs) vollkommen angemessen. Sehr guter Riesling.
Bleibt aber auch beim Wärmerwerden (Außentemperatur 25° C) formvollendet zusammen. Auf eine ganz seriöse Art und Weise super trinkig – ohne dabei irgendwie schlicht zu wirken. Ausgewogen, Länge, perfekt gereift – und weitere Jahre Potenzial. Auch am zweiten Tag noch präsent, lebendig, steinig, kräutrig, etwas kompakter. So gut kann Doppelnull-Neun sein.
Fazit?
Da war ein Künstler am Werk. Chapeau, Gunter Künstler – das auf seine eigene Art schwierige Jahr Null-Null-Neun gut gemeistert.
Aus welchen Gläsern wurde probiert?
Zwiesel Viña Form Nr. 8465/1
Wer hat’s probiert?
Autor Edgar Wilkening und Weinteacher Ed Richter
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Nein.
Sind noch offene Fragen?
Wie hat’s denn nun hingekriegt, der Weinmacher, dass der Riesling so was von null Petrol oder Firnis hat? Laubarbeit im Wingert? Oder wie sonst? Wie hat er’s gemacht?
- The Battle – Ten Years After:
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