Luce – und es ward Licht!
Was für eine Strahlkraft in der Weinwelt, dieser Name: Luce!
Seit 2018 steht das italienische „Licht“ nicht nur auf Weinen, sondern auch an einem neuen Weingut. Denn das fehlte der Marke bislang noch: ein echtes Zuhause.
Sommelier Ed Richter hat die „Tenuta Luce Della Vite“ in Montalcino für uns besucht.
Und hatte Gelegenheit einen vollkommen neuen Licht-Wein zu verkosten. Wird er der Strahlkraft des Namens gerecht?

Der Hamburger Sommelier und Weinjournalist Ed Richter. Schreibt auf wineroom.de regelmäßig über die große Welt der großen Weine.
Eine Weinikone wird erwachsen und bekommt ein Zuhause.
Es ist Anfang der Neuziger, es herrscht allerorts Aufbruchstimmung Richtung Millennium. Zwei Schwergewichte der Weinwelt treffen sich zu einem Coup. Der eine, Vittorio Frescobaldi, Kopf einer toskanischen Weindynastie mit Sangiovese im Blut und über 700 Jahre Familiengeschichte im Rücken.
Der andere kein geringerer als der große, umtriebige Pionier Robert Mondavi aus dem Napa Valley, der seinerseits den kalifornischen Wein in den 70er und 80er auf die Weltweinkarte ganz oben platzierte.
Was die beiden ausheckten war die Idee eines „High-End-Supertoskaners“, auf dem berühmten „Galestro Boden“ des Brunello di Montalcino, wo ja bekanntlich nur König Brunello wachsen darf.
Ich persönlich stelle mir das etwa so vor: Robert Mondavi war zu Besuch in der Toskana und überzeugte den Marchese mit folgenden Worten.
„Du, Vittorio, wir Italiener müssen doch zusammenhalten und den arroganten Froschschenkelessern mit konkurrenzfähigen Weinen Paroli bieten. Es kann doch nicht sein, dass die Franzmänner die Weinwelt auf ewig dominieren! Schau: Du für deinen Teil kannst sehr gut Sangiovese und ich bin super in Merlot; zusammen werden wir einen echten Diamanten in der wunderschönen Toskana kreieren und uns damit ein Denkmal setzen.“



Fictum, dictum et factum – gedacht, gesagt und getan!
1993 war es dann soweit, der erste Luce war geboren und füllte knappe Zwanzigtausend Flaschen mit dem markanten und extraordinären Sonnen-Etikett.
Das Vorbild dafür haben die Verantwortlichen in der ehemaligen Familienkirche der Marchesi Frescobaldi „Santo Spirito“ aus der Spätrenaissance gefunden. Prominent ist das sakrale blau-goldene Bildnis in der Mitte des Hauptaltars zu sehen.
Im gleichen Jahr ging Robert Mondavi an die Börse, verspekulierte sich später leider und wurde gut ein Jahrzehnt nach der Kooperation mit Frescobaldi von dem großen Getränkekonzern Constellation Brands gekauft.
Glücklicherweise übernahmen die Marchesi Frescobaldi damals die Luce-Anteile der Amerikaner und konnten weiter an der Erfolgsgeschichte des Sonnenweins arbeiten.
Seit den Anfängen hat sich die Assemblage von jeweils zur Hälfte Merlot und Sangiovese nicht geändert. Jeder Jahrgang fällt deutlich anders aus. Man will bewusst das Terroir und die Umwelteinflüsse in der Flasche konservieren.
Das ist auch gut so. Wer will schon Weine trinken, die jedes Jahr gleich schmecken? Keiner!
Anderseits sind aber die Preise des Prestigeweines mit jedem Jahrgang gestiegen, was auch am Markt und der Nachfrage liegen mag. Klar ist jedoch, dass der kleinere „Lucente“, der „Luce“ und der „Luce Brunello“ seit Erscheinen auf der Weltweinbühne kontinuierlich Erfolgsgeschichte schreiben.
Dazu kommt noch der feine „Luce Grappa“, der seit über zwanzig Jahren produziert wird. Nicht zu vergessen das würzig, fruchtige „Olio di Luce“. Das Bio-Olivenöl von eigenen Bäumen, welche auf 4,5 Hektar wachsen, komplettiert die Sonnen-Familie.
Um diesem Sonnenkult noch eine Krone aufzusetzen, gibt es seit Neuestem den „Lux Vitis.“ Eine Cuvée aus hauptsächlich Cabernet Sauvignon mit ein wenig Jupiter-Blut (Sangiovese) verfeinert.



Neu: der „Lux Vitis“. Natürlich muss ich den probieren!
Okay, gut, und wie schmeckt der Erste, „la prima annata“ so? Bekanntlich ist ja der 2015er in ganz Europa ein warmer und ausgewogener Jahrgang.
„Si chiaro“, erwartet man einen gut gemachten Supertoskaner – und, ja, man bekommt ihn auch. Ein echtes Flaggschiff, welches seinen Höhepunkt in den nächsten Jahren erst präsentieren wird. Ein Marathonläufer par excellence.
Preislich boxt der „Lux Vitis“ in der Klasse des „Ornellaia“, mit dem Unterschied, dass es vom berühmten „Bolgheri Vino“ mehr als zwanzig Mal so viel gibt. So wird der „Lux Vitis“ folgerichtig mit seinen knapp 6.000 Flaschen immer eine Rarität bleiben. Das meiste davon wird weltweit verkauft.
Aber die Frescobaldi legen sich einen beachtlichen Schatz davon zurück. In ihr originell konzipiertes Flaschenmuseum, das sie im modernen „Luce-Zuhause“ eingerichtet haben.
Heimat des neuen Weinguts ist ein altes Gebäude aus traditionellen Feldsteinen. Es wurde oberirdisch neu renoviert, aber das Juwel liegt fast komplett unter der Erde.
Der super saubere Keller mit dem schönen, warmen Farbenspiel der roten Betontanks, Barriquefässer und den dunklen, schimmernden Fliesen ist ein ästhetischer Augenschmaus. Ja, hier hat man sich einige Gedanken gemacht und diese professionell umgesetzt. Gelungen in allen Belangen.




Weinmacher Stefano Ruini hat ganz andere Favoriten als ich.
Tenuta Luce Della Vite
Loc. Castelgiocondo
53024 – Montalcino
Siena, Italia
Als Weinkreateur haben die Marchesi Frescobaldi Stefano Ruini verpflichten können. Ein italienischer Önologe und Terroirkenner, der die Hälfte seines Lebens im berühmten Bordeaux verantwortlich gearbeitet hat.
Er liebt die Biodiversität in der Landwirtschaft und lehnt Chemie konsequent ab. „Leben und Vitalität im Weinberg ist das absolut Wichtigste“, erläutert er mir mehrmals und präsentiert den brüchigen Galestro-Schiefer in seiner Hand.
Na gut, denke ich, Nachhaltigkeit ist das Wort des Jahrzehnts. Aber hier wird mit offenen Karten gespielt. Alles kann man besichtigen und auch etliche Jahrgänge probieren, worauf ich mich schon den ganzen Tag freue.
Die Reihe startet mit dem 2000er Luce und endet mit dem aktuellen 2016er.
Anders als bei Stefano waren meine Favoritenflaschen aus den Jahrgängen 2000 – 2004 – 2007 – 2010. Stefano rümpft die Nase bei den älteren Luce-Brüdern. Nö, die schmecken ihm nicht, zuviel tertiäre Aromatik.
Ich dagegen mag sehr das Weiche, Balsamische und Filigrane an gereiften Weinen. Die kommen meiner Trinkerseele deutlich näher. Aber, Achtung, natürlich müssen sie noch voll intakt und lebendig sein. Untrinkbar sind für mich alte, oxidierte und „Nullfruchtweine“, die ihr Leben schon vor geraumer Zeit ausgehaucht haben. Egal, wie teuer sie sein mögen.
Die Luce-Cuvée ist für gute zwanzig Jahre solide und stabil. Vielleicht werden die neuen Jahrgänge unter der Regie von Stefano Ruini sogar noch ein längeres Leben haben. Das wird uns die Zeit verraten.
Doch eines ist klar: Die Luce-Familie mit all ihren neuen und alten Mitgliedern ist eine gelungene, runde Erfolgsgeschichte, die mit dem neuen Weingut erst jetzt so richtig komplett erscheint.

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