Der königliche Port – Krone portugiesischen Weins
Portwein – eine portugiesische Erfolgsgeschichte seit mehr als 260 Jahren. Aber sind fortified wines heute noch zeitgemäß?
In den letzten Jahren scheint eine Renaissance erkennbar. Denn Portwein wird von hippen Bartendern in coolen Szene-Lokalen gerade neu interpretiert.
Für Weinteacher Ed Richter Grund genug, sich in einem der ältesten Portweinhäuser der Welt umzusehen – und dem Zauber der „verstärkten Weine“ nachzuspüren.
Dreh- und Angelpunkt des internationalen Handels mit Portwein – und auch sein Namensgeber: Der historische Hafen von Porto.
Wenn ich Regisseur historischer Filme wäre – mein nächster würde etwa so beginnen: Seine Majestät, der portugiesische König Joseph I., senkt seine Feder auf das dicke Büttenpapier und unterzeichnet einen Vertrag mit der simplen, aber gewichtigen Signatur „Rey“. Wir schreiben das Jahr 1756.
Die Kamera schwenkt vom Close-up zur Totalen. Mit großer Zufriedenheit haben Ihre Majestät und sein Minister, Marquis de Pombal, soeben die „Real Companhia Velha“ gegründet. Es wird einmal das größte und älteste Portweinhaus weltweit werden. Noch im gleichen Jahr wird das Douro-Tal zum ersten geschützten Weinanbaugebiet der Welt erklärt.
„Rey“: Mit dieser Signatur besiegelt Portugals König Joseph I. den Vertrag
Das Dokument mit der Unterschrift des Königs existiert noch heute. Im Büro von Pedro Silva Reis, dem heutigen Inhaber und Präsident der Real Companhia Velha, kann es im Original bestaunt werden.
Inhaber und Präsident Pedro Silva Reis öffnet uns die Tore zu den historischen Gemäuern der Real Companhia Velha.
Was bedeutet „fortified“ oder „verstärkt“ beim Portwein?
Portwein entsteht zunächst wie jeder andere Wein auch: Der Traubenmost gärt, Hefen bauen den Zucker ab. Allerdings nur so lange, bis während der Gärung gezielt hochprozentiger Alkohol hinzugegeben wird. Das nennt sich „Aufspritten“ oder eben „Verstärken“ (vom Englischen: to fortify). Der Alkohol stoppt den Gärprozess, im Wein verbleibt natürlicher Restzucker. Der gibt dem Port die Süße. Alkohol und Restzucker, beides zusammen verleiht Portwein die außergewöhnliche Lebensfähigkeit über Generationen.
1960 erwarb Pedros Vater, Manuel da Silva Reis, die Mehrheit des ehemals königlichen Portweinhauses und wandelte es damit zum Familienunternehmen. 42 Jahre später übernahm Sohn Pedro die Verantwortung.
Mittlerweile gehören sechs Weingüter, sogenannte Quintas, dazu. Vor acht Jahren wurde das bekannte und traditionsreiche Portweinhaus Delaforce gekauft und ergänzt seitdem das vielschichtige Weinsortiment.
Das Alto Douro, das Weinbaugebiet des oberen Douro mit seinen terrassierten 26.000 Hektar Rebfläche, bekam im Jahr 2001 die Auszeichnung „UNESCO Weltkulturerbe“ verliehen.
Atemberaubend schön sind die unzähligen steilen Hänge mit ihren beeindruckenden Neigungen von teilweise bis zu 70 Grad, die immer noch mit über 95 Prozent autochthonen Rebsorten bepflanzt sind. So auch bei der Real Companhia Velha.
Das Herzstück der Real Companhia Velha bilden fünf Weingüter
Quinta das Carvalhas
Quinta das Carvalhas (120 ha) ist der Stolz und das Flaggschiff. Die ältesten Reben sind hier rund 100 Jahre alt.
Quinta dos Aciprestes
Quinta dos Aciprestes (100 ha) liegt an der Grenze zum Douro Superior, wo es deutlich heißer ist. Hier wurde in den letzten Jahren alles neu und nur mit einheimischen roten Rebsorten bepflanzt.
Quinta de Cidrô
Quinta de Cidrô (140 ha) hat eine Nordost-Ausrichtung, liegt zwischen 450 und 600 Meter hoch und ist folglich kühler gelegen. Deshalb auch prädestiniert für internationale Rebsorten wie Sauvignon Blanc, Chardonny, Gewürztraminer, Pinot Noir und Cabernet Sauvignon.
Quinta do Casal da Granja
Quinta do Casal da Granja (170 ha) befindet sich im kleinen Dorf Granja de Alijó. Das Gebiet ist bestens für Süßwein geeignet. Die Trauben hier werden regelmäßig mit der Edelfäule „Botrytis Cinerea“ befallen.
Quinta do Síbio
Quinta do Síbio (9,5 ha) ist das kleinste und älteste Weingut. Es liegt direkt an einer engen Flussbiegung am rechten Ufer des Douro, sehr steil aufsteigend. Die Parzellen werden durch 200 Jahre alte Schieferstein-Mauern gestützt.
Die Lese der Trauben für den Portwein erfolgt von Hand und ist echte Knochenarbeit. Inhaber Pedro Silva Reis überwacht aufmerksam jeden Arbeitsschritt.
Die Ports teilen sich in drei Labels auf: Erstens Royal Oporto, zweitens Quinta das Carvalhas und drittens Real Companhia Velha – wobei Royal Oporto die größte Bandbreite bietet und mit seinen extravaganten Kristallflaschen imponiert.
Die roten Topweine und Ports werden klassisch nach wie vor in Granit- oder Betonbecken, den sogenannten Lagares, mit Füßen gestampft. Begleitet von moderner Musik zertreten mehrere Personen Schulter an Schulter langsam und schonend die Trauben mit ihren Stielen und Schalen. „So erhält man immer noch die besten Qualitäten für Extrakt, Farbe und Tannin,“ sagt der verantwortliche Önologe Jorge Moreira.
Die Trauben werden auch heute noch mit den blanken Füßen getreten
Ich schaue ihn verwundert und etwas ungläubig an.
„Yes if you like to have this experience, we are doing it right now.“ Na klar! Das lass ich mir doch nicht entgehen. Eine halbe Stunde später stampfe ich mit ein paar Arbeitern in einem großen Becken die roten Trauben für die besten Ports des Hauses.
Weinteacher Ed Richter gibt alles für eine gute Story. Ob die Füße frisch gewaschen sind? Jedenfalls haben sie es nach dem Stampfen der Trauben nötig.
Nein, nicht irgendwie – sondern immer geordnet nebeneinander und im gleichen Rhythmus. So macht man das schon immer. Hin und her. Up and down. Es macht Spaß und ist ein großartiges Gefühl an den Füßen.
Trotz aller Tradition geht das Portweinhaus aber auch neue Wege in der Landwirtschaft. Um ihre Weinberge besser zu verstehen, kommen etwa moderne Flugdronen zum Einsatz. Ausgestattet mit Kameras überfliegen sie zweimal jährlich bestimmte Gebiete und zeichnen den vegetabilen Zustand der Reben auf.
In Zusammenarbeit mit der Universität in Vila Real werden dann Lösungen und passende Innovationen erarbeitet. „Das kostet uns enormes Geld,“ sagt der Chefönologe. „Aber um die Qualität der Trauben jedes Jahr möglichst hoch zu halten, ist das absolut nötig. Unsere Kunden in Europa und Übersee kennen und erwarten das,“ ergänzt Pedro Silva Reis und entschuldigt sich, denn er müsse uns einen besonderen Port aus der Schatzkammer holen.
Die Schatzkammer der Real Companhia Velha. Was hier lagert, sieht nicht nur alt aus – so manche Flasche hat tatsächlich Jahrhunderte auf dem Buckel.
Oh, diese Flasche hat kein Etikett und sieht wirklich alt aus. Eine, mit Spinnweben ummantelte, verschimmelte und mit Wachs verschlossene Kapsel. Vorsichtig wird sie gesäubert und der Korken herausgezogen, ich probiere blind.
Relativ hell mit orangenem Rand. Fein, lebendig und extra elegant ist er am Gaumen. Leicht karamellig fließt er die Kehle hinunter. Wärmt lange nach. Wie alt wird der wohl sein? Spannung, denn ich weiss nicht mal ansatzweise was ich sagen soll.
Einem guten Portwein ist wirklich schwer ein Jahr zuzuordnen. Selbst ein Jahrzehnt zu erkennen, ist kaum möglich.
Ein Portwein aus dem Jahr der Gründung des Deutschen Reichs: von sage und schreibe 1871. Dabei immer noch lebendig im Glas und am Gaumen.
Eckdaten Real Companhia Velha
Rebfläche gesamt: 540 Hektar
Produktionsmenge gesamt: 8 Millionen Flaschen jährlich: circa 4 Millionen Flaschen Portwein (75 % Rot, 24 % Weiß, ca. 1 % Rosé), circa 4 Millionen Stillwein (80 % Rotwein, 20 % Weißwein)
60% der Produktion wird exportiert und geht in 45 Länder. Hauptabnehmer ist Deutschland mit 25%, gefolgt von Brasilien, Angola und den USA.
Önologe: Jorge Moreira (mehrfach als „Winemaker of the year“ ausgezeichnet)
Der Hausherr gibt uns einen Tipp: „Es war ein wichtiges Jahr in der deutschen Geschichte.“ Aha, okay – dann wahrscheinlich 1945er?!
Milde lächelt Pedro und schüttelt den Kopf. „Es ist ein 1871er!“
Gibt’s das?! Oh Gott, was war da noch?
Pedro lächelt: „Was du im Glas hast, stammt aus dem Jahr 1871.“
Es dauert eine Weile, bis ich mein Schulwissen aktiviert habe. Bismarck … Gründung Deutsches Reich … Kaiser Wilhelm I. … Mann, ist das krass!
Selten war ich so sprachlos. Ach, deutlich untertrieben, wenn ich sage, dass ich überrascht und begeistert war. Dass es so einen Wein überhaupt noch gibt! Auch diesen antiken Port haben damals irgendwelche Leute mit den Füssen getreten, denke ich und sehe meine Arbeit vorhin auf einmal mit anderen Augen.
Damit hat sich Pedro Silva Reis ein Denkmal gesetzt und bleibt mir unvergessen. Qualität überdauert scheinbar Jahrhunderte.
Ich habe größte Achtung vor Menschen, die ein respektables Erbe antreten und dem dann auch so gerecht werden, es schätzen, bewahren und weiter erfolgreich führen.
Wegen seiner Steillagen und terrassenartig angelegten Weingärten wird das Douro-Tal häufig mit der Mosel verglichen – auch wenn die Stilistik der Weine natürlich gänzlich anders ist.
Während wir mit dem Jeep hinauf in die Weinberge der Quinta das Carvalhas fahren, erklärt er in nahezu perfektem Englisch „Bei allen Innovationen in den Weinbergen erinnern wir uns gern unserer Wurzeln und bauen vermehrt auch alte, bereits fast ausgestorbene Rebsorten wieder an.“
Mit Hilfe agrarwissenschaftlichen Techniken gelang der Real Companhia Velha die Wiederherstellung von vegetativem Material zur Fortpflanzung der Rebsorten Rufete, Tinta Francisca und Samarrinho.
Der charismatische Präsident erläutert final einen wichtigen Aspekt: „Diese alten Rebsorten ermöglichen uns unter anderem, einen neuen Weinstil am Douro zu kreieren.“
Stimmt absolut, denke ich, denn Ports können und machen viele. Aber mit den alten indigenen Rebsorten würzt man nicht nur zusätzlich den Wein, sondern auch die royale Geschichte – und die verpflichtet schließlich.
Kontakt zur Real Companhia Velha
Rua Azevedo Magalhães 314, 4430-022 Vila Nova de Gaia, Portugal
Tel: +351 22 377 51 00
graca@realcompanhiavelha.pt
Real Companhia Velha Visitor Centre
João Castro
Tel: +351 223 775 194
turismo@realcompanhiavelha.pt
Beinahe ausgestorben: Mit Hilfe agrarwissenschaftlicher Techniken gelang es, alte Rebsorten wie Rufete, Tinta Francisca und Samarrinho für die Weinberge zu retten.
Meine (bezahlbaren) Favoriten der Verkostung
„Royal Oporto 20 Years“ in der Kristallflasche
Die Farbe erinnert an helle rote Ziegelsteine. Man riecht sofort getrocknete Früchte wie Feigen, Aprikosen, dazu Nelken und würzige Noten von Süßholz und Nüssen. Eine herrliche Süße, die durch feine Säure aufgefangen wird. Warm fließt er die Kehle hinunter und hinterlässt ein bleibenden Geschmack von weihnachtlicher Gewürzschokolade mit fruchtigem Touch.
Preis im Handel: ca. 31 Euro
Delaforce „His Eminence’s Choice 10 Years“
Mittleres, leicht bräunlich warmes Granatrot. Süße Kirsch- und Erdbeermarmelade mit Vanille-Touch. In erster Linie fruchtbetont mit balanciertem Körper. Dann Aromen von Wallnüssen, Datteln und gerösteten Mandeln. Toffee und Heu in der zweiten Nase. Unkompliziert zu trinken. Ein feiner und eleganter Genuss. Absoluter Sieger im Preis-Leistungs-Vergleich.
Preis im Handel: ca. 18 Euro
Tipp: Portwein als Longdrink
Perfekt im Sommer ist Port Tonic. Extra Dry White Port oder Rosé Port in ein mit Eiswürfel gefülltes Longdrinkglas geben. Dazu eine Scheibe Limette und wichtig: einen Zweig Minze. Auffüllen mit Fever Tree Tonic. Kurz umrühren, fertig – einfach und genial erfrischend.
Angesagte Cocktails mit Portwein
Da Portwein nur etwa halb so viel Alkohol enthält wie normale Spirituosen in Cocktails,
ergibt sich ein schöner Genussvorteil beim Mixen mit Port.
Clubland
40 ml Delaforce Fine White Port
40 ml Vodka Green Mark Traditional
2 dash Aromatic Cocktail Bitter
Glas: Coupette oder Goblet
Zubereitung: Alle Zutaten mit Eis im Rührglas kalt rühren und in das vorgekühlte Gästeglas abseihen. Mit einer Orangenzeste aromatisieren und garnieren.
Porto Flip
50 ml Royal Oporto Tawny Port
10 ml Saint James Sucre de Canne
10 ml flüssige Sahne
1 Eigelb
Muskatnuss
Glas: Tumbler oder Cocktailglas
Zubereitung: Alle Zutaten, außer der Muskatnuss, mit Eis in den Shaker geben. Kräftig schütteln und die Mischung durch das Barsieb in das Gästeglas abgießen. Vor dem Servieren den fertigen Drink mit Muskatnuss bestreuen.
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