Driving Home for Xmas: Alter Schwede! Wie kommt der Graved Lachs in mein Gepäck?
Zeit für einen großen Weihnachts-Klassiker. Nicht nur das Rezept – auch der Text. Erstmals erschienen am 25. Dezember 2010. Und zwar auf fifty-fine.de – dem Vorgänger-Magazin des wineroom.
Nachdem eben gerade mein diesjähriger Weihnachts-Lachs in die Kühlung graved wurde, ist es jetzt, knapp zehn Jahre nach dem ersten Erscheinen, Zeit für ein Re-Publish.
Und damals wie heute gilt: Falls Sie mich über die Feiertage zufällig an irgendeinem Airport, Bahnhof oder einer Autobahnraststätte sehen, sprechen Sie mich ruhig an. Kann sein, ich hab meine Zahnbürste vergessen – aber Graved Lachs habe ich garantiert im Gepäck!
Edgar Wilkening
Head & Heart of wineroom.de
Publizierte früher Lifestyle-Themen auf fifty-fine.de
Ich darf Weihnachten bei meiner Familie unter jedweden Umständen und mit jedweder Begleitung erscheinen – aber niemals ohne Graved Lachs.
Traditionen sind ja eine feine Sache: Man weiß, was auf einen zukommt, und kann sich darauf einrichten. So oder so. Und gerade zu Weihnachten hat wohl jede Familie ihre ganz eigenen Traditionen: Wann der Weihnachtsbaum geschmückt wird, was es an Heiligabend zu essen gibt, und welche halbseidenen Witze Onkel Willi nach drei Weinbrand zum Schlechtesten Besten gibt.
Und irgendwann weiß niemand mehr, wann das Ganze mal angefangen hat, wer damit begonnen hat und warum man das überhaupt so macht – aber alle halten sich dran. Das ist der Moment, wenn auch aus der kleinsten Marotte eine große Familientradition geworden ist.
Irgendwann muss ich wohl selber mal mit so was angefangen haben. Jedenfalls ist es in meiner Familie seit Menschengedenken so, dass ich zum Weihnachtsmenü in jedwedem Zustand, mit jedweder Begleitung und unter jedweden Umständen auftauchen darf – aber niemals ohne Graved Lachs.
Begonnen hat es wahrscheinlich damit, dass ich das Verfahren, rohen Lachs nur durch Zugabe von Gewürzen und physischen Druck zu beizen, unbedingt selbst probieren wollte. Aber weiß man’s noch …? Und vermutlich hat das Ergebnis meine Familie derart beglückt, dass es irgendwann zur festen Gewohnheit wurde. Jedenfalls habe ich schon seit gefühlten Generationen zu den Weihnachtsfeiertagen immer Graved Lachs im Gepäck.
Der Ursprung dieser verblüffend simplen Rezeptur mit dem aromatischen Ergebnis liegt in Skandinavien. Übersetzt bedeutet Graved Lachs in etwa ‚eingegrabener Lachs‘. Denn früher war es üblich, den mit Dill, Salz und Zucker versehenen Lachs in der Erde zu vergraben und dann mit Steinen zu beschweren.
Aber holen Sie jetzt nicht gleich den Spaten raus! Das unterirdische Rezept wurde so aufgeräumt, dass Onkel Willis Witze mit Sicherheit das Schmuddeligste am Weihnachtstisch bleiben.
Und wenn Sie keine Lust zum Selbstbeizen haben? Kein Problem! Falls Sie mich über die Feiertage zufällig an irgendeinem Airport, einer Autobahnraststätte oder einem Bahnhof treffen: Sprechen Sie mich einfach an. Mag sein, ich habe meine Zahnbürste zuhause vergessen – aber ich habe garantiert Graved Lachs im Gepäck.
Da der Lachs roh gegessen wird: Bitte nur allerbeste Frischware verwenden. Das Filet auf der Haut belassen. Den fettreichen Bauchlappen großzügig trimmen. Filet gründlich mit Küchenkrepp trocknen.
Lachs auf Folie setzen. Mit Pfeffer würzen.
Mit einer feinen Schicht Zucker überziehen. Großzügig mit Fleur de Sel bestreuen.
Lachs üppig mit frischem, gezupftem Dill belegen. Asia-Liebhaber geben auch noch frischen Koriander dazu. Dann den Lachs mit der Folie eng umwickeln. Das Paket in einen Kunststoffbeutel geben. Den Lachs mit einem Gewicht beschweren und knapp über dem Gefrierpunkt lagern. Regelmäßig wenden.
Nach zwei, drei Tagen ist der Graved Lachs fertig. Schräg in dünne Scheiben aufschneiden. Dazu passen Salate, Baguette und Graved-Lachs-Sauce und ein feinherber Riesling oder ein Rosé.
Kleine Wein-Leseauswahl mit weiterem Weinlese-Stoff im wineroom
- The Battle – Ten Years After:
Mittelrhein Großes Gewächs 2011
Toni Jost vs. Ratzenberger - 6. April 2021 - Perfekt verkuppelt: Champagner mit Hafenblick und ein Sommelier, der die Korken nicht knallen lässt - 16. September 2020
- Kale and wine – is that possible? A daring food-pairing test of courage - 28. April 2020