Nominiert für „Best Food and Wine Content“: Reportage über eine tollkühne Foodpairing-Challenge
Vielleicht die härteste Challenge, der sich ein Weinliebhaber stellen kann: Grünkohlessen mitten in Westfalen – und dann den Teilnehmern Rotwein hinstellen statt Bier. Ob Autor Edgar Wilkening das überlebt hat? Und: ob der Westfale das überlebt hat? Die nominierte Geschichte hier.
Darf man sich eigentlich noch freuen in Zeiten von Corona? „Nein!“, brüllt’s aus der versammelten Moralapostel-Ecke. Angesichts Tausender Infizierter in Deutschland (Stand: 20. März 2020) oder sogar der eigenen Region verstünde es sich doch wohl von selbst, dass sich aktuell jegliche Spaßregung verbietet.
Glauben Sie mir: Ich habe genug solche Apostel in meinem Umfeld – insbesondere in social media. Aber ich halte sie auf Distanz. Nicht nur aus virushygienischen Gründen, vor allem aus geisteshygienischen Gründen.
Denn es sind genau die gleichen Leute, die sich niemals irgendeinen Jux verkneifen würden, nur weil in Syrien Tausende Menschen mit Giftgas und schmutzigen Bomben gemordet oder vertrieben werden; nur weil auf Lesbos Geflüchtete unter schlimmsten Umständen hungern, hoffen, warten, frieren, sterben; nur weil in Venezuela ein ganzes Land am Abgrund steht – und ja, ich könnte dutzendfach so weitermachen mit Krisenherden.
Die selbsternannten Moralschwätzer regen sich erst, wenn eine Krise in ihrem eigenen Land, besser noch: vor der eigenen Haustür angekommen ist. Dann setzen sie ihre sauertöpfischsten Mienen auf, recken Zeigefinger in die Luft und lassen nimmermüde ihre morschen Moralschiffchen vom Stapel.
Also nochmal: Darf man sich noch freuen in Zeiten von Corona? Ich sage klipp und klar: „Ja!“ Denn wie hat es ein großer Philosoph mal so treffend formuliert?
Wollte eigentlich nur eine kleine Verlautbarung schreiben: wineroom-Macher Edgar Wilkening. Irgendwie ist dann doch ein großes Essay daraus geworden.
„Wenn das Lachen erstirbt, dann stirbt auch die Seele.“
… ach Schiet, kann auch sein, dass ich es selbst war, der das mal gesagt hat. Na, macht ja nix – wird nicht weniger wahr dadurch. Und wollen wir am Ende der Corona-Krise dastehen, kerngesund in unseren Lungen, aber abgestorben in unseren Seelen?
Deshalb: klares Ja – man darf sich freuen, auch in Zeiten wie diesen. Aber wir dürfen dabei nie, niemals, wirklich NIE! die Augen verschließen vor dem Leid und Elend in der Welt, vor Vertreibung, Völkermord, Despoten, ja, auch nicht vor Pandemien – wie weit oder nah entfernt sich das auch abspielen mag.
Wir dürfen uns jederzeit freuen, sogar lachen, lieben, jauchzen, genießen. Aber tun wir das bitte jederzeit mit offenen Augen und wachem Herzen. Mit einem Bewusstsein für die Ungerechtigkeiten und Krisen in aller Welt – und für alle Menschen, die es betrifft.
Ich jedenfalls freue mich heute! Trotz Corona und trotz Spaßverbots von Moralaposteln. Denn Nachrichten wie die folgende flattern selbst mir nicht alle Tage auf den Schreibtisch.
„We just released our shortlist for the Best Food and Wine Content and we’re pleased to tell you that you made the cut!“
Die das schrieb, ist Faye Cardwell, Awards Coordinator bei den „Born Digital Wine Awards“, einem internationalen Wettbewerb für herausragende publizistische Inhalte zum Thema Wein.
Und mit „you made the cut“ ist gemeint: meine Geschichte über eine tollkühne Foodpairing-Probe. Rotwein zu Grünkohl – mitten in Westfalen, dem „gefühlten Epizentrum der grünen Schmortöpfe“. Eine kulinarische Mutprobe in vier abenteuerlichen Kapiteln, erschienen auf wineroom.de am 21. Januar 2019.
Ja, ich gebe zu: Ich habe selber irrsinnig Spaß gehabt beim Schreiben dieser Geschichte.
So witzig die ganze Konstellation, so komisch der Grundkonflikt, so tiefgründig das heitere Augenzwinkern – bis hin zum großen „Westfälischen Frieden“, der die Story am Ende glücklich beschließt. Ich bin sicher, mein Comedy-Teacher Danny Simon wäre recht zufrieden mit mir.
Ja, ich mag diese Art Texte, die changieren zwischen ernstzunehmender Expertise und kichernder Komik. Ist das noch Weinjournalismus – oder doch schon Comedy-Story? Aber warum das eine oder das andere, wenn man doch beides haben kann?
Trotzdem: Als ich die Story Ende 2019 bei den „Born Digital Wine Awards“ einreichte, war ich mir keineswegs sicher, ob die Juroren ähnlich viel Spaß haben würden. Immerhin international besetzte Jury, aus aller Herren Länder.
Würden die Juroren die fachliche Seriosität des Berichts anerkennen und gleichzeitig die Komik der Geschichte zulassen? Würde man ausgerechnet einem deutschen Beitrag überhaupt Komik zutrauen?
Offenbar hat’s funktioniert mit der Komik. „The shortlisted entries made me laugh“, schreibt Greg Lambrecht, Gründer des Weintechnologie-Unternehmens Coravin und einer der Juroren, in seinem Geleitwort.
Und schau an: Meine Grünkohl-Geschichte findet sich tatsächlich auf der Liste der neun Nominierten wieder. Wow, tolles Kompliment – vielen, vielen Dank an alle, die an dieser Entscheidung mitgewirkt haben!
Screenshot der Nominierten in der Kategorie „Best Food and Wine Content“ für die „Born Digital Wine Awards“ auf der Seite https://borndigitalwineawards.com/2019-born-digital-wine-awards-shortlist/, 20. März 2020.
Na klar: Shortlist ist lediglich Shortlist – mehr nicht.
Nur eine Nominierung, eine Vorauswahl. Wie das internationale Rennen um den Award final ausgeht? Vollkommen offen.
Bemerkenswert ist das Ergebnis dennoch schon jetzt. Denn Folgendes können wir mal ganz nüchtern festhalten auf Basis der Faktenlage …
Bester deutscher Food- & Wine-Content
Die Grünkohl-Foodpairing-Story ist der einzige deutsche und deutschsprachige Beitrag auf der Nominierten-Liste des Born Digital Wine Awards in der Kategorie „Best Food and Wine Content“. Damit ist er faktisch schon jetzt “Deutschlands bester Food- und Wein-Content des Jahres 2019”. Bei uns im wineroom ist so etwas alleine schon Grund genug zum Feiern.
Nicht aus Hamburg, München, Berlin ...
Der beste deutsche Food- und Wein-Content 2019 stammt nicht aus Hamburg, München, Berlin oder irgendeiner anderen einschlägigen Metropole. Und auch nicht von einem der großen, etablierten Content-Häuser. Sondern aus Minden an der Weser, von einem kleinen, unabhängigen Publisher. Bei uns zuhause würde das mit umso mehr Respekt zur Kenntnis genommen werden.
Aus dem "Genuss-Land OWL"
Deutschlands bester Food- und Wein-Content 2019 stammt aus einer Region, die normalerweise nicht gerade für ihre kulinarische Kompetenz gerühmt wird. Ostwestfalen ist eher so etwas wie das Guantanamo der Wein- und Genussszene. Oder kündigt sich da womöglich gerade eine Veränderung an? Werden wir in Zukunft öfter vom „Genuss-Land OWL“ sprechen und hören?
Darf man eigentlich noch Daumen drücken in den Zeiten von Corona?
Ja, darf man – wenn sie frisch gewaschen sind und man zwei Meter Abstand zu anderen hält!
Man darf die Daumen drücken, dass jeder Einzelne von uns wohlbehalten durch diese Zeiten kommt. Man darf auch die Daumen drücken, dass unsere Gesellschaft als eine bessere und klügere aus dieser Krise hervorgeht.
Und man darf einem kleinen Autor die Daumen drücken, dass es seine Foodpairing-Mutprobe in einem internationalen Umfeld bis aufs Treppchen schafft, wenn in einigen Wochen die Sieger der Born Digital Wine Awards bekanntgegeben werden. Komische Zeiten, in denen man so etwas sagen muss.
Eigentlich hätte das Ganze hier ohnehin nur eine kleine Nachricht werden sollen: über die Nominierung meines Beitrags für den Award. Irgendwie wurde dann doch ein großes Essay daraus. Eines, das zumal eher ungewöhnlich ist für ein genussorientiertes Weinmagazin.
Wie gesagt: komische Zeiten. Bleiben Sie gesund!
Die Born Digital Wine Awards gibt es seit 2011. Eine Initiative aus Portugal, die der wachsenden Bedeutung digitaler Medien in der internationalen Weinwelt Rechnung tragen will. Dafür werden 2020 Preise in fünf verschiedenen Kategorien verliehen plus zwei Sonderpreise für „Innovation“ und „Nachhaltigkeit“.
Im vergangenen Jahr war wineroom-Autor Ed Richter nominiert für die Born Digital Wine Awards in der Kategorie „Best Tourism Content With A Focus On Wine“. Seine wundervolle Reportage „Gedopt mit Trüffel und Wein: Per Rad auf Tour de Rhône“ finden Sie hier.
Mehr Weinlese-Stoff im wineroom
- The Battle – Ten Years After:
Mittelrhein Großes Gewächs 2011
Toni Jost vs. Ratzenberger - 6. April 2021 - Perfekt verkuppelt: Champagner mit Hafenblick und ein Sommelier, der die Korken nicht knallen lässt - 16. September 2020
- Kale and wine – is that possible? A daring food-pairing test of courage - 28. April 2020
Natürlich darf man sich freuen!!! Noch viel mehr als in anderen Zeiten, denn ohne Momente der Freude kann man die negativen Zeiten doch gar nicht überstehen!!!
Herzlichen Glückwunsch!!!
… vielen Dank und liebe Grüße an Dich!
Klasse, Edgar, natürlich darf und sollte man sich freuen und ich freue mich jetzt mal für Dich !
Vielen, vielen Dank, Bastian, und liebe Grüße an Dich!